Fra Lenin til Stalin

Karsten Vedel Johansen (kvjohans@online.no)
Fri, 2 Jan 1998 20:14:28 +0100 (MET)

Brecht likte ikke å feire nyttår. De nye år har det med å ligne det gamle
trass i alle forestillinger om gjenfødelse osv.

Her følger en fransk (oversatt) artikkel fra Le Monde diplomatique gjengitt
i tyske Die Tageszeitungs bilag. Artikkelen er en kritisk anmeldelse av et
par bidrag til en ny fransk antologi om Sovjets historie. Dersom KK klarer
å skaffe seg de nødv. rettighetene skal jeg gjerne oversette den til
norsk. Den tar en bemerkelsesverdig klar stilling til en av de mest
omstritte periodene i nyere historie og de nyere revisjonistiske tendenser
i historieskrivingen som er oppmuntret av "ny"liberalismens triumftog etter
murens fall:

Von Lenin zu Stalin Von MICHEL DREYFUS *

VON den sehr unterschiedlichen und häufig
zusammenhanglosen
Beiträgen im "Schwarzbuch" ist der Text von Nicolas
Werth, der
sich mit den staatlich sanktionierten Gewaltma=DFnahmen
in der
UdSSR befa=DFt, der ernsthafteste. Er hebt sich ab von
dem Gestus
des "Ungefähr", wie er für eine Reihe der übrigen Autoren
kennzeichnend ist, die ihr Thema allenfalls aus
zweiter oder dritter Hand kennen.

Nicolas Werth beschreibt einen ersten Zyklus (Ende
1917 bis Ende
1921), der mit der "Machtübernahme" zusammenfällt,
"die Lenin
zufolge notwendigerweise in einen Bürgerkrieg münden
würde",
dann kommt er auf die Hungersnot 1921-1922 (6
Millionen Tote)
zu sprechen. Der zweite Zyklus beginnt mit der
Zwangskollektivierung und der "Entkulakisierung"
(Februar 1930
bis 1933), darauf folgt die Hungernsnot 1932-1933, mit
der die
Unterdrückung der "sozialen Fremdelemente" zwischen
1930 und
1935 einhergeht. Zwischen 1936 und 1938 erreichen der
Gro=DFe
Terror und die damit verbundene Unterdrückung einen
Höhepunkt,
zur gleichen Zeit entsteht das "Reich der Lager". Der
Gulag blieb
auch nach dem Sieg von 1945 bestehen, und erst mit
Stalins Tod
im Jahre 1953 begann sein Abbau. Mit diesem Datum hört die
Studie übrigens auf. Innerhalb der Logik des Buches
wäre es
vermutlich schwierig zu erklären gewesen, wie der
Kommunismus
noch vierzig Jahre lang ohne Massenterror überleben
konnte.

Darf man die Opfer der Unterdrückung des sowjetischen
Staates
und die der Hungersnot auf eine Ebene stellen, obwohl
doch die
Ursache der Hungersnot von 1918 bis 1920 ein
Bürgerkrieg war,
den die Bolschewiken, so viel steht fest, nicht allein
vom Zaun
gebrochen hatten? Für die Ermordung der Kulaken
hingegen ist
einzig und allein der sowjetische Staat verantwortlich.

Werth vergi=DFt immer wieder die dramatische Situation,
in der sich
Ru=DFland zwischen 1917 und 1921 befand, und er
unterschätzt drei
wesentliche Elemente: Die Zerrüttung der Gesellschaft
nach drei
Jahren Weltkrieg, die Notwendigkeit, in den
Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk mit
Deutschland zu einer
klaren Entscheidung zu kommen, und den Bürgerkrieg
gegen die
Wei=DFen, die von den meisten westlichen Ländern unterstützt
wurden. Und warum ist nicht die Rede von den bedeutenden
Mitbegründern des sowjetischen Staates (unter anderen Leo
Trotzki und Nikolai Bucharin), die von Anfang an gegen die
"Entkulakisierung" waren? All das führt zu der
umstrittenen
Grundsatzfrage des Verhältnisses zwischen Leninismus und
Stalinismus zurück. Erinnern wir uns daran, da=DF Stalin
nach Lenins Tod 1924 seine Gegner Sinowjew,
Bucharin und Trotzki beseitigte und sich 1929
endgültig an die Spitze einer mundtot gemachten
Partei setzte, die spätestens von da an nichts mehr mit
jener Organisation zu tun hatte, die zwölf Jahre vorher der
Revolution zum Sieg verholfen hatte.

Die Lokomotiven von Shanghai

IN Ru=DFland, wo es demokratische Traditionen nicht gab,
wurden
die Bolschewiken von dem Augenblick an, in dem sie die
Macht
übernahmen, in einen Kreis der Gewalt gezogen, den sie
nicht
durchbrechen konnten. Die Art und Weise der
Organisation der
bolschewistischen Partei begünstigte diese
Entwicklung. Dennoch
war nichts im voraus festgelegt. Auf die Frage, ob die
Anlage zu
Stalin bereits bei Lenin enthalten war, antwortet
Werth eher
verneinend: Während der erste Rote Terror (1918-1921)
sich "in
einem Kontext der allgemeinen Konfrontation"
abspielte,"griff die
Entkulakisierung in ein befriedetes Land ein". Werth
betont eher die Brüche zwischen der ersten Phase und
dem 1929 eröffneten
zweiten Zyklus, der durch die Entstehung des
Gulag-Phänomens
gekennzeichnet ist.

Das kürzere Kapitel über die Komintern von Stephane
Courtois
und Jean-Louis Panne zeichnet eine zuweilen verzerrte
Geschichte.
Auf der Grundlage einer selektiven Bibliographie
behandelt dieses
Kapitel unterschiedliche Versuche der Machtübernahme durch
kommunistische Parteien in Europa - vor allem in
Deutschland -
und dann in China bis zum Jahre 1927, ohne den
Zusammenhang
dieser Länder zu erhellen. Wenn man den Autoren
glaubt, ist die
Gewalt immer nur von den Kommunisten ausgegangen, was
Leser
des Romans "La Condition humaine" von Andre Malraux
erstaunen
dürfte, die sich an die schrecklichen, historisch
wahren Bilder von kommunistischen Aktivisten in
Shanghai erinnern, die in den
Kesseln von Dampflokomotiven verheizt wurden.

Dieselben Autoren behandeln dann den "Terror"
innerhalb der
kommunistischen Parteien und die Liquidierung von in die
Sowjetunion geflüchteten Aktivisten unter Stalin. Sie
schildern die Jagd auf die Trotzkisten und auf die
POUM in Spanien sowie die dortigen Aktionen des
NKWD. Dort steht zu lesen, da=DF das
republikanische Spanien für den sowjetischen Staat
1936 "ein
unverhofftes Interventionsfeld" gewesen sei, kein Wort
jedoch über die italienische und die deutsche
Intervention.

dt. Esther Kinsky

* Historiker am CNRS, Autor von "L'Histoire de la CGT",
Brüssel (Complexe) 1995.

Le Monde diplomatique Nr. 5406 vom 12.12.1997 Seite 20 Le
Monde diplomatique 109 Zeilen
Dokumentation Michel Dreyfus

Vh. Karsten Johansen